Wie ich für mich Helgoland entdeckte und dabei zum Segeln kam
Auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung
Mein Rentnerdasein hatte schon vor einigen Jahren begonnen und ich verbrachte meine Zeit damit, gelegentlich Aufträge auf dem Gebiet des Grafikdesigns abzuarbeiten. Doch bald hatte ich es satt, mich mit besserwisserischen Auftraggebern herumzuärgern, die auch noch schlecht zahlten. Die Aufträge sollten immer vorgestern fertig sein und waren die das dann, fiel diesen Leuten entgegen allen Absprachen immer etwas Neues ein. Ich hatte die Nase voll. Deshalb suchte ich geduldig nach einer anderen sinnvollen Beschäftigung.
Ich wollte etwas mehr von der Welt sehen, als es mir bisher möglich war, und suchte eine entsprechende Möglichkeit. Ferienreisen waren durch den begrenzten Urlaub meiner Frau und die doch etwas hohen Kosten auch keine Alternative. Die Bettenburgen mit ihrem Massenbetrieb lockten mich ohnehin nicht. Segeln hatte ich ausgeschlossen. Es schied für mich aus, da ich erstens keine Ahnung davon hatte, zweitens dieser Sport eine teure Angelegenheit ist und drittens ich nicht wusste, an wen ich mich wenden sollte. Man sagte mir damals über das Segeln: Das ist ein teurer Sport. Genauso gut kannst Du Dich auch unter eine warme Dusche stellen und Hundertmarkscheine zerreißen. Diese Meinung sollte sich später als völlig falsch herausstellen.
Also suchte ich weiter. Das Internet als Suchmaschine mit Google und Wikipedia war noch nicht so weit entwickelt wie heute und “Hand gegen Koje” war mir ebenfalls kein Begriff. Zu meiner größten Überraschung bekam ich die Gelegenheit ein solches Arrangement zu nutzen. Dieses ergab sich 1995 durch ein eher kurioses Erlebnis. Der Chef meiner Frau betrieb, wohl eher als Hobby, als aus geschäftlichen Gründen, mehrere Jachten. Diese befanden sich in einem mehr oder weniger reparaturbedürftigen Zustand irgendwo auf der Welt. Bis dato hat mich das nicht interessiert.
Dann aber erhielt eines Tages meine Frau einen Anruf aus Cuxhaven von ihrem Chef und teilte mir kurz danach mit, dass sie für ein paar Tage verschwinden würde, da sie Polster nach Cuxhaven bringen müsse. Der Eigner hatte erschüttert festgestellt, dass er in Berlin die Polster des Salons, welche sich dort zur Reinigung und Reparatur befanden, glatt vergaß. „Salon”, wie das schon klang. Meine Frau erklärte mir, dass sich eines der Schiffe, die SY “SAMBA”, zur Reparatur und Ausrüstung in einer Werft in Cuxhaven befand und bald auf Reisen gehen würde. Und nun fehlen eben jene Polster und ihr Einsatz ist gefragt.
Da ich ein mehr oder weniger beschauliches Rentnerdasein führte, erbot ich mich den Transport hilfreich zu unterstützen.
Der Hintergedanke war, diese Gelegenheit für einen Kurzurlaub zu nutzen. Cuxhaven mit seinem Wattenmeer, den historischen Hapaghallen, der Alten Liebe und nicht zuletzt Helgoland als Tagesausflug u.a. waren die Reise wert. Meine Frau war von diesem Gedanken ebenfalls angetan.
Die Fuhre Polster nach Cuxhaven
Wir fuhren zu besagter Reinigung und beluden unseren alten Ford Fiesta bis unters Dach mit den gefragten Polstern und machten uns auf die Reise. Es war etwas beengt, aber es ließ sich aushalten. Eine Unterkunft war organisiert, der Aufenthalt auf drei Tage verlängert und das fast auf Firmenkosten. Na bitte, ein sinnvoller Kurzurlaub. Das Auto war bis unter das Dach vollgestopft. Den etwas beengten Fahrkomfort nach Cuxhaven nahmen wir in Kauf. Getreulich lieferten wir als Erstes die vergessenen Polster in der Werft ab und ernteten großes Lob. Es war Ebbe und das Schiff lag mehrere Meter unter uns an der Pier. Der Mast mit seinen an ihm angebrachten Gerätschaften ragte weit empor.
Über das Gewerkel und Gewusel an Bord war ich höchst er-staunt. Schließlich waren etwa 10 Handwerker auf engsten Raum dabei zu tischlern, zu malern, zu schrauben und zu montieren. Es ging ruhig und wohl organisiert zu. Mir schien die ”CALYPSO” etwas klein und der Mast etwas sehr lang. Ich äußerte meine Bedenken hinsichtlich umkippen und hohe Wellen und ob denn das Schiff wirklich hochseetüchtig sei. Jork, der Eigner, grinste und ich erhielt meine erste Lektion über Konstruktion und Bauweise einer Hochseejacht. Geduld hatte er ja. Leider gab es keinen Platz für mich auch nur einen Blick unter Deck zu werfen. Den kommenden Tag wollten wir Helgoland besuchen, also verabredeten wir uns für den darauffolgenden Tag, da wäre schon alles ruhiger. Neugierig war ich schon. Also erst einmal großes Fischessen in der "Fischbörse" und am nächsten Tag nach Helgoland.
Meine Beziehung zu Helgoland
Diese Insel ist mir seit meinem 5. Schuljahr (1948) in sehr guter Erinnerung. Unser Klassenlehrer in der 72. Grundschule in Dresden, Herr Gorski, war nach Ende des Krieges als einer der vielen Kriegsgefangen dort zum Arbeiten eingesetzt. Es war die Demontage der U-Boot-Bunker, mit der er sich mit vielen anderen leidtragenden herumplagen musste.
Alte Postkarte von Helgoland
SY "SAMBA" am Haken in der Hieke-Werft, Cuxvaven
Die Hapag-Hallen dienen bis heute als voll funktionsfähiges Passagierterminal für Kreuzfahrtschiffe und ist einer der letzten authentischen, noch erhaltenen Orte der Auswanderung nach Amerika.
Tuxyso / Wikimedia Commons
Aus der Gefangenschaft zurück wurde er unser Klassenlehrer und erzählte davon. Wir bekamen als Aufgabe im Unterrichtsfach Erdkunde die Insel samt der „Langen Anna“ und dem „Mönch” zu modellieren. Wie, sei jedem Selbst überlassen. Er erklärte uns die Form und die Größe der Insel anhand einer Landkarte und einigen Postkarten und zeichnete an die Tafel die Form der Insel mit den wichtigsten Details. Ich malte alles ab und machte mich an die Arbeit. Das Modell formte ich mit gut durchgeknetetem Lehm auf einem Brett. Das wurde dann bei mäßiger Hitze bei uns zu Hause im Backofen gebacken.
Das Ganze verschönerte ich mit Sand, Häuschen und Bäumchen, und malte das Ganze in den Farben Helgolands: Grün ist das Land - Rot ist der Fels - Weiß ist der Strand, fein säuberlich an. Selbst auf weiße Kleckse am roten Fels habe ich nicht verzichtet, denn die Möwenkacke gehört schließlich auch zu Helgoland. Erstmals in meinem kurzen Schülerleben erhielt ich für meine Arbeit die Note „Sehr Gut“. Das sollte zum Leidwesen meiner Mutter für die nächsten Jahre nicht wieder vorkommen.
Wahrscheinlich ist mir deshalb Helgoland so gut in Erinnerung geblieben. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte und ich komme vom Thema ab.
Das Erlebnis Helgoland
Der Tagesausflug nach Helgoland sollte nicht nur ein großartiges Erlebnis werden, sondern mir auch eine neue und sehr wichtige Erfahrung bringen.
Ich war noch nie in meinem Leben auf einem großen Schiff gefahren. Die Größten waren Dampfer der Weißen Flotte in Dresden auf der Elbe und der Ausflugsdampfer auf der Großen Müritz und auf dem Tollensesee bei Neubrandenburg. Von hohen Wellen hatte ich nur aus einschlägigen Filmen Kenntnis. Ich war sehr gespannt, meine Note „Sehr Gut“ im Original zu erleben.
Es war wohl die MS „HELGOLAND“ welche uns beförderte. Immerhin so an die 80 m lang, war das Schiff schon sehr beeindruckend. Es war schönstes Septemberwetter als wir frohen Mutes das Schiff bestiegen und uns einen Platz mit Aussicht suchten. Das hatte uns unsere Zimmerwirtin geraten, denn unterwegs gäbe es viel zu sehen. Sie meinte sicherlich die herumlungernden
Robben und die verrosteten Schiffswracks. Wie auch immer, es war spannend denn alles hatte so seine Geschichte. Entsprechende Literatur hatten wir mit und so konnten wir uns sachkundig machen.
Am Alten Hafen legten wir ab und passierten den Leuchtturm an der Alten Liebe. Es war ablaufendes Wasser und wir konnten das Watt von der Seeseite her bewundern. Die Sonne schien überraschend klar an einem blauen Himmel, über den große weiße Wolken segelten, die Ränder vom Wind zerflattert. Wir passierten die Insel Neuwerk, die See wurde plötzlich bewegt und es pfoffte ein kräftiger Wind. Sehr. Ein hilfreicher Decksteward erklärte, dass es sich um etwa 3 m hohe Wellen und eine Windstärke von etwa 6 Knoten handele. Aha. Die Touris und auch meine Frau sahen danach aus. Ich erlebte die Folgen der oft verfluchten Seekrankheit erstmals dergestalt, da überraschend an Deck plötzlich die besten Plätze frei wurden. Ich machte es mir bequem. Das war das erste Signal, welches sich in meinem Unterbewusstsein festsetzte: Ich bin nicht seekrank geworden!
Das Ausbooten vor der Insel war nicht weiter dramatisch, da der Ankerplatz in Lee (das ist die windabgewandte Seite) die Schaukelei in Grenzen hielt. Was Lee und Luv zu bedeuten hatte und wie wichtig die beiden kurzen Wörter für mich wurden, erfuhr ich erst später.
Die kräftigen Jungs hievten uns wie Mehlsäcke in das Börteboot. Gegenwehr war zwecklos. Besonders einigen Frauen gefiel das. Sie quiekten und wollten noch mal.
Dann betraten wir die Insel mit seiner bewegten Geschichte. Nun hatten wir nur knappe vier Stunden bis zur Rückfahrt. Die galt es klug einzuteilen in: Wanderung rund ums Oberland, Museumsbesuch, Shoppen und ein Besuch der Hummerbuden. Die Zeit reichte allerdings nicht für einen Besuch der Düne mit den Seehunden und Kegelrobben oder die Bunkerführung in eine gruselige Vergangenheit. Also sind wir erst einmal durch die malerische Ortschaft auf dem Unterland gelaufen, um dann auf der Südtreppe das Oberland mit dem Ziel: Klippenweg rechts herum, zu erreichen. Auf den Fahrstuhl haben wir verzichtet. Es war klares Wetter mit einer fantastischen Fernsicht.
Es empfing uns ein frischer aber warmer Wind, der uns bereits auf dem Schiff zum Schaukeln gebracht hatte. Ich bedaure heute noch, dass ich in der Aufregung des Aufbruchs von Berlin meinen Fotoapparat vergaß.
Der Ausblick war atemberaubend schön. Wasser bis zum Horizont. So etwas hatten wir noch nie gesehen. Ich bekam den ersten Eindruck von der unendlichen Weite des Meeres. Die Wellen trugen weiße Schaumkronen und zogen gleichförmig in Richtung Süden. An einem strahlend blauen Himmel segelten große weiße Wolken und warfen ihre Schatten auf das in der Sonne funkelnde Meer. Ihre Ränder zerfaserten im Wind. Ein intensiver Geruch nach Tang und Salz hing in der Luft. Diese unendliche Weite. In der Ferne machte ich zwei Segelboote aus. Winzig klein in der bewegten See. Ich schaute ihnen lange hinterher und musste immer wieder an die Segeljacht auf der Werft denken. Langsam formte sich bei mir ein verwegener Gedanke. Weiter in Richtung „Lange Anna“ empfing uns der ohrenbetäubende Lärm einer unglaublichen Anzahl von Seevögeln. Kaum zu glauben, dass eine solch große Zahl der verschiedensten Arten auf so engen Raum Platz haben und miteinander auskommen. Vielleicht hat der Krach den sie machen etwas damit zu tun. Also wenn der Nachbar auf seinem Platz auch nur um einen Zentimeter weiter rutscht, dann muss man schimpfen.
Die Folgen des Krieges, die Trichter und Einbrüche, waren, sofern sie nicht verfüllt wurden, gnädig unter einer grün wogenden Fläche saftigen Grases verschwunden. Es ist so etwas wie eine heile Welt geworden. Eine Welt mit der Erinnerung an furchtbare Zeiten, wie der große Bombentrichter. Unsere Wanderung auf dem Klippenrandweg hat doch etwas länger gedauert, als geplant. Deshalb wollten wir auf das Shoppen verzichteten und außerdem hatten wir mächtigen Hunger an der frischen Seeluft be-kommen. Das Unterland erreichten wir über die Treppenstraße. Unten angekommen waren wir rechtschaffen „Pflastermüde“. Deshalb wurde der Museumsbesuch ebenfalls gestrichen.
Unweit der Treppenstraße fanden wir das Restaurant „Aquarium“. Und da gab es den Knieper - den Helgoländer Taschenkrebs - den echten Gaumenschmaus. Uns hatte man freundlicherweise oder aus Angst, wir könnten die Teller zerdeppern, die Scheren bereits angeschlagen, sodass wir bequem an das würzig-nussige Fleisch kamen. Dazu ein großes Flens und würzige Dipsoßen. Nach der langen Wanderung mit müden Füßen war das ein wahrer Genuss. Meine Frau bevorzugte einen trockenen Weißwein. Das wird so empfohlen. Was solls, die Geschmäcker sind verschieden.
Ein Wasser hätte auch genügt. Der Tag war perfekt und die Zeit war um. Noch ein Spaziergang an den Hummerbuden entlang, etwas shoppen und dann ging es an das Einbooten und zurück auf das Schiff. Der Wind hatte abgeflaut und die See war zur Freude meiner Frau deutlich ruhiger geworden. Den Abend genossen wir in einem schönen Strandcafé in Cuxhaven mit Blick auf das Wattenmeer und beschlossen, dieses am folgenden Tag gleich früh zu besuchen.
Das Wattenmeer - eine Überraschung
Wir gedachten, zu baden und uns noch etwas zu sonnen, um danach noch mal zur Werft zu fahren. Also zahlten wir unseren Eintritt und betraten an einem Durchlass im Damm, dem Strandaufgang, den Strand. Wie das so ist im Leben, kommt es erstens immer anders zweitens, als man denkt. Das Wasser war weg und bis zum Horizont nur Schlamm. Richtig, die Ebbe. Was tun? Nun waren wir einmal da und zum Sonnen geht das auch. Ich entdeckte in regelmäßigen Abständen tief angebrachte Wasserhähne.
Der Sinn wurde mir erst klar, als ich gar nicht mal so wenig Leute entdeckte, die hingebungsvoll durch den Schlamm stapften. Wie wir so dastanden und verblüfft das Geschehen betrachteten, sprach uns ein freundliches Paar an und erklärte uns: Dat Waddenmeer is för de Fööt sau bannig sund. Oder so ähnlich. Klar, alles verstanden. Also Schuhe und Strümpfe ausziehen sowie die Hosenbeine hochkrempeln und hinein in die Moddergatsche (sächsisch).
Wir stiefelten eine Weile herum, bestaunten die Priele und die kreischenden Möwen sowie andere Seevögel, welche ein Festmahl zu sich nahmen und wunderten uns über die vielen kleinen Löcher und die Häufchen aus Sand. Es war der Wattwurm, der da wirkte. Als sich eines dieser Tierchen um den Knöchel meiner Frau ringelte, beendete sie unseren Ausflug umgehend. Wir wuschen uns die Pampe von den Füßen, zogen uns an und ließen das Naturschutzgebiet Wattenmeer ohne größeres Bedauern hinter uns.
Fazit: Der Besuch von Cuxhaven und der des Wattenmeeres ist ungeeignet für einen Kurzbesuch. Hier braucht man Ruhe, Gelassenheit und Zeit.
Der köstliche Knieper
Oliver Scheunemann, Wikimedia Commons
Die "Alte Liebe" in Cuxhaven
RaBoe/Wikipedia
Zurück von der Insel mit dem Helgoländer Börteboot
Hein.Mück,
Mein Entschluss: SEGELN !
Wie geplant, besuchten wir noch einmal die fleißigen Handwerker in der Werft. Die Arbeiten am Schiff waren sichtbar fortgeschritten und das Gewusel an Deck hatte aufgehört. Da wagte ich die Frage, ob ich mich denn mal so hinten an das Geländer setzen dürfte. Der Eigner verdrehte die Augen und erläuterte mir geduldig, dass es so eine Sache mit der Seemannssprache auf einem Schiff ist. Ich lernte, wo achtern, wo Back- und Steuerbord ist, was eine Reling darstellt und das die Treppe nach unten eben Niedergang heißt. Desgleichen bekam ich diverse Hinweise auf einschlägige Fachliteratur. Dann durfte ich mich hinten, also achtern hinsetzen. Ich bestaunte das Ruder, die Instrumente und die für mich noch verwirrende Anordnung diverser Seile und Leinen an einem riesigen Mast. Das Schiff kam mir auch nicht mehr so klein vor. Sicherlich eine Frage der Perspektive.
Dann zeigte mir der Eigner die Räumlichkeiten unter Deck. Salon, Pantry, Kojen, Toiletten - alles sinnvoll und zweckmäßig sowie nicht ungemütlich eingerichtet. Er zeigte und erläuterte mir geduldig, was sich unter den Bodenbrettern befand, den vorhandenen Stauraum für Lebensmittel und Ausrüstung, die Instrumente für die Navigation (GPS und Radar) und die Maschine. Das war ein 220 PS PENINSULAR Turbodiesel. Ich merkte, dass er beim Erzählen sehr stolz auf das Schiff war. Dann erfuhr ich auch warum. Er hatte das Schiff und einige andere, nach eigenen Entwürfen auf einer Werft in Szczecin, Polen gebaut. Diese Werft sollte ich in den späteren Jahren noch kennen lernen. Zum Arbeiten. Eben Hand gegen Koje. So lernte ich die SY ”CALYPSO” kennen.
Wieder an Deck, wagte ich zögernd die Frage: Ob ich denn auch mal so eine Fahrt - vielleicht, möglicherweise, eventuell, - auch mal mitmachen könnte? Na, klar. Kein Problem. Hand gegen Koje. Hä? Was ist das? Antwort von Jork: Arbeiten am Schiff, für sich selbst aufkommen, anteilig in die Bordkasse einzahlen für laufende Kosten, wie Diesel, Verpflegung und Hafengebühren sowie sich mit der Crew gemeinsam während des Törns an allen anfallenden Arbeiten beteiligen. Das ist die Wache schieben, Ruder gehen, Schiff säubern, Essen kochen, Lebensmittel einkaufen und stauen sowie alle anderen Arbeiten, um den Schiffsbetrieb aufrechtzuerhalten.
Also “Hand gegen Koje” ist zwar nicht umsonst aber erschwinglich. Hinzu kommen noch die Kosten für die Anreise zum Schiff und da man wieder nach Hause will, auch die Kosten für die Rückreise. Sofern man wie ich beinahe am Ende des Törns in der Rodney Bay Marina von St. Lucia, West Indies, Karibik gelandet bin, ist das sehr nötig.
So einfach kann das sein. Jork freute sich über meine Bereitwilligkeit und gab mir zu verstehen, dass in etwa zwei Wochen das nächste Schiff, die SY „SAMBA“ von Minde, Dänemark auf große Fahrt in Richtung Gran Canaria geht und es gut wäre, wenn ich eine Woche früher an Bord sein könnte, um mitzuarbeiten, das Schiff flottzumachen. Es geht erst einmal nach Cuxhaven zu der mir schon bekannten Werft und nach einigen Arbeiten am Schiff sofort los. Wahnsinn! Das war DIE Gelegenheit und meine liebe Frau gab mir für ein paar Wochen frei. Es wurden nur zwei Monate. Ich war sehr aufgeregt und hätte mir jemand gesagt, was mich unterwegs erwartet, dann hätte ich wahrscheinlich abgelehnt. Aber davon in meiner nächsten Erzählung.
Zurück in Berlin kaufte ich mir die Erstausstattung eines Seglers: wasserdichte Bekleidung, d.h. Segelkombination, Automatikweste, Segelstiefel, Handschuhe, warmes Unterzeug usw. Schließlich war es schon Oktober und es sollte nass und kalt werden. Außerdem warnte man mich vor schwerer See und Starkwinden. Darüber habe ich mir allerdings wenig Gedanken gemacht, da ich höchstens aus diversen Katastrophenfilmen, die sowieso immer übertreiben, keine weiteren Vorstellungen hatte. Über die anfallenden Kosten habe ich nicht ernsthaft nachgedacht. Wenn schon - denn schon. Dann befasste ich mich mit einschlägiger Literatur und paukte das kleine Einmaleins seemännischer Begriffe sowie die Grundlagen der Navigation und den Umgang mit Kompass und GPS. Ich besorgte mir einen Tampen und übte noch das richtige Knüpfen der wichtigsten Knoten. Das Lesen von Seekarten und die Standortbestimmung nach GPS-Daten bereitete mir keine Schwierigkeiten, denn da kannte ich mich aus meinem “Früher” noch aus.
So gerüstet, glaubte ich tatsächlich das Meiste schon zu wissen. Was für ein Irrtum. Das erkannte ich aber erst später und wurde bescheidener. Jedenfalls bin ich denen noch immer sehr dankbar, welche ihr Wissen vorbehaltlos an mich weitergegeben haben.
Ich machte mich auf den Weg nach Minde, Dänemark zu meinem ersten Abenteuer.